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Die Poesie der Klasse: Romantischer Antikapitalismus und die Erfindung des Proletariats

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Mit der Durchsetzung des Kapitalismus und der Industrialisierung entsteht im frĂŒhen 19. Jahrhundert aus verarmten Handwerkern, stĂ€dtischem Pöbel, umherziehenden lĂ€ndlichen Unterschichten, bankrotten Adligen und nicht zuletzt freigesetzten prekĂ€ren Intellektuellen jenes neue soziale Kollektiv, das man in der Sprache der Zeit bald das Proletariat nennen wird. Allerdings existierte dieses zunĂ€chst noch nicht als formierte, homogene Klasse mit angeschlossenen politischen Parteien, die den Weg in die bessere Zukunft vorgeben. Die buntscheckige Erscheinung, die TrĂ€ume und SehnsĂŒchte dieser allen stĂ€ndischen Sicherheiten entrissenen Gestalten fanden neue Formen des ErzĂ€hlens in romantischen Novellen, Reportagen, sozialstatistischen Untersuchungen, Monatsbulletins. Doch schon bald wurden sie – ungeordnet, gewaltvoll, nostalgisch, irrlichternd und utopisch, wie sie waren – von den Vordenkern der Arbeiterbewegung als reaktionĂ€r und anarchisch verunglimpft, weil sie nicht in die große lineare Fortschrittsvision passen wollten. In seiner bahnbrechenden Studie verhilft Patrick Eiden-Offe dem lange verdrĂ€ngten romantischen Antikapitalismus zu seinem Recht und befreit die Sozial- und Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts aus ihren eindimensionalen Sichtachsen. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, dass die historische, poetisch besungene unordentliche Klasse den heutigen Figuren von PrekaritĂ€t nach dem Ende der alten Arbeitsgesellschaft verblĂŒffend Ă€hnlich ist.